Lesung aus Rabenkinder
Am Samstag, dem 1. März, las Frau Poppe aus ihrem Wendekrimi Rabenkinder im Saal des Rathauses Hötensleben.
Sie versuchte einen Spannungsbogen zu schaffen, ohne zu viel zu verraten. Der Direktor des Geschlossenem Jugendwerkhofes Torgau wurde nach der Grenzöffnung der DDR ermordet oder war es doch Selbstmord, wie es die alten Genossen und die Stasi gerne hätten. Die Stasi hat der Morduntersuchungskommission den Fall auch entzogen, da der GJWH direkt dem Bildungsministerium unterstand. Erst zur Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 wurde der Fall wieder aufgenommen. Wer kommt als Mörder in Frage? Natürlich alle Insassen, die diese Schikanen, Quälereien, Bosheiten, körperlichen Misshandlungen, gezielten Demütigungen, sexuellen Übergriffe und unmenschlichen Lebensbedingungen erdulden mussten. Es sollte in erster Linie der Willen gebrochen werden. Widerworte oder gar ein Widersetzen wurde nicht geduldet und hart bestraft z.B. mit Arrest in Dunkelzellen oder dem „Fuchsbau“. Reden war generell verboten, wenn es dazu keine Aufforderung gab. Der Jugendwerkhof unterstand direkt Frau Honecker und schon einen Tag nach der Grenzöffnung am 09. November wurden ein Großteil der Insassen entlassen und sofort wurden Baumaßnahmen durchgeführt, die das wahre Wesen verändern sollten. Diese Tatsache ist sehr interessant, denn wussten die damaligen Machthaben zu diesem Zeitpunkt schon, dass es vorbei war und es wurde damit begonnen die Beweise zu vernichten. Weitere Verdächtige des Krimis tauchen auf. Da wären verärgerte Mitarbeiter des Werkhofs oder der Vater eines missbrauchten Mädchens. Dann war aber Schluss, es sollte nicht zu viel verraten werden und es ging in die Diskussion. Die Verhältnisse in den Jugendwerkhöfen war ein Thema. Aber auch die Frage, ob die Insassen wirklich schwererziehbare Kinder waren. Es war eine große Willkür dabei. Kinder die Heimweh hatten und aus offenen Jugendwerkhöfen mehrfach zu ihren Eltern verschwanden, kamen als Erziehungsmaßnahme in den Geschlossenen Jugendwerkhof oder auch schon für viel weniger. Die DDR lässt sich nichts gefallen und hat auch gern Exempel statuiert. Alle weiteren Kinder der offenen Werkhöfe haben dann gleich gesehen, was passiert, wenn Widerstand geleistet wird oder gar Ungehorsam. Das war die beste Erziehungsmaßnahme. Es sprach sich natürlich auch rum, was in Torgau vor sich ging.
Gab es die sexuellen Übergriffe wirklich oder ist es nur ein dramaturgischer Schachzug, um Spannung zu erzeugen und damit einen weiteren Verdächtigen zu präsentieren. Es gab sie von den Wärtern bis hoch zum Heimleiter.
Ein weiteres Thema war: Was wurde aus den Tätern? Hier ging es um alle Einrichtungen dieser Art. Es ist ein großes Problem heute, denn diese Täter haben gute Renten, aber die Opfer haben keine richtige Ausbildung bekommen. Viele haben auch posttraumatische Belastungsstörungen und nur lächerliche Entschädigungen erhalten. Die Täter durften aber weiter als Erzieher arbeiten. Zwar nicht im direkten Umfeld, aber sie durften es. Es gab sogar den Fall, dass ein Psychologe einer Einrichtung der Umerziehung der DDR in der BRD an einer renommierten Uniklinik wieder große Karriere machte. Ein entscheidendes Problem war, die Erzieher wurden ja auch gebraucht, weil es nicht genug gab. Es konnten auch nicht alle Lehrer mit IM-Vergangenheit oder zu diesem Zeitpunkt gesetzestreuen, aber menschlichen, Verfehlungen entlassen werden. Das Personal hätte an den Schulen gefehlt. So wurde die Kröte geschluckt, dass alle die ihre Tätigkeit zugaben, damit entlastet wurden. Es sei denn, es wurde Übergriffe auf Kinder bewiesen oder es kam heraus, dass sie doch IM waren und es nicht im Vorfeld zugegeben haben. Dann war tatsächlich Feierabend. Allerdings nur an staatlichen Einrichtungen. Private Einrichtungen kümmerten sich darum allerdings nicht. Hier geht es ganz knallhart um fehlendes Personal und Geld. Gewissen hat hier keine Chance. Die meisten Opfer aber leben heute von Mindestrente und haben keine Chance auf eine neue Karriere bekommen.
Es wurde noch weitere Fragen zu diesem Thema aufgeworfen. Alle waren sich aber einig, dass diese Themen aufgearbeitet gehören und immer wieder gezeigt werden muss, wozu eine Diktatur in der Lage ist. Unsere Demokratie ist ein wichtiges Gut, auch wenn wir immer wieder an ihr arbeiten müssen.