Hötensleber Ratsmitglied übt herbe Kritik an der Stolperschwelle

Die in den Boden eingelassene Stolperschwelle mit Inschrift am Hötensleber Rathaus. Foto: AG MeGa (Bild vergrößern)
Bild zur Meldung: Die in den Boden eingelassene Stolperschwelle mit Inschrift am Hötensleber Rathaus. Foto: AG MeGa
Die Stolperschwelle am Hötensleber Rathaus bleibt eine unbequeme Angelegenheit. Als einer der Kritiker erklärt Ratsmitglied Rainer Siedekum, warum er ein Problem mit diesem Mahn- und Erinnerungsmal hat.

 

Stolpersteine für Einzelpersonen und in Steigerung dessen die Stolperschwellen für Opfergruppen sind das elementare Wesen eines vom Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufenen Erinnerungsprojekts. In Hötensleben wird darüber aber gestritten.

Eine Stolperschwelle ist auf Initiative der örtlichen AG MeGa (Mauern einreißen, Grenzen abbauen) jüngst am Hötensleber Rathaus verlegt worden. Demnig legte dabei persönlich Hand an. Zugegen waren unter anderem auch Landrat Martin Stichnoth, Landtagsabgeordneter Tim Teßmann (beide CDU) und Hötenslebens Alt-Bürgermeister Dieter Buchwald. Die Schwelleninschrift lautet: „1939 bis 1945 – Gemeinde Hötensleben | In Erinnerung an mehr als 600 ausländische Menschen verschiedener Nationalitäten | Zwangsarbeiter in Landwirtschaft, Industrie, Privathaushalten | Kriegsgefangene und zivile Arbeitskräfte – Männer, Frauen und Jugendliche | ausgebeutet – entrechtet – gedemütigt – misshandelt – viele ermordet“.

 

Kritik an Standort und Formulierung

Teils harsche Kritik an dieser Formulierung wie auch an der Wahl des Standorts für die Stolperschwelle übt nun Ratsmitglied Rainer Siedekum (Fraktion Unabhängige Hötensleber Liste). In einem Leserbrief zum Volksstimme-Artikel „Stolperschwelle am Rathaus eingelassen“ vom 15. Oktober legt Siedekum dar: „Bisher wurden die sogenannten Stolperschwellen an Orten verlegt, von denen aus zum Beispiel Massendeportationen in die Vernichtungslager erfolgten. Die Verlegung einer solchen Stolperschwelle am Hötensleber Rathaus, weil von hier aus die bürokratische Verteilung der Arbeitskräfte erfolgte, stellt durch die Gleichsetzung mit oben genannten Orten einen völlig unangemessenen Vergleich dar.“

Aus Siedekums Sicht würden mit der Stolperschwelle außerdem womöglich unhaltbare Schuldvorwürfe erhoben: „Die in Hötensleben verlegte Stolperschwelle verzeichnet Opferzahlen und schwere Anschuldigungen bis hin zur Ermordung von Arbeitern, die bisher nicht belegt sind. Es ist hochgradig unseriös von den Initiatoren, diese Behauptungen weder durch Quellenangaben noch durch konkrete Berichte über Opfer und Täter zu untermauern. Dies wiegt umso schwerer, da die Vorwürfe kollektiver und pauschaler Art gegen eine ganze Gemeinde gerichtet sind.“

Siedekum kommt in seiner Kritik zu dem Schluss: „So bleibt die in guter Absicht verlegte Stolperschwelle lediglich ein Monument moderner Geschichtsklitterung.“

 

Angaben aus dem Landesarchiv

Initiator Ruben Herm, Leiter der AG MeGa, hält auf Volksstimme-Nachfrage dagegen, insbesondere was den Vorwurf mangelnder Quellen anbelangt: „Die offizielle Zahl von 627 Zwangsarbeitern für das damalige Gemeindegebiet Hötensleben hat das Landesarchiv Sachsen-Anhalt geliefert. Darüber hinaus gibt es über 160 amtliche Dokumente, die inhaltlich sehr klar und eindeutig sind. Entsprechende Unterlagen hatte ich im Gemeinderat auch eingereicht.“

 

Text: Ronny Schoof - Volksstimme